Krishnas Geburt
So begab es sich, dass Devaki und Vasudeva angekettet im Gefängnis auf die Geburt ihres achten Kindes warteten. Es heisst : Der Glanz, der von Devaki ausging, erleuchtete das ganze Kellergewölbe. Alle Halbgötter sowie Narada Muni besuchten sie , um ihr zu versichern : "Hab keine Angst, Devaki. Dein Sohn Krishna kann niemals von Kamsa getötet werden. Krishna erscheint auf der Erde, um alle Dämonen zu vernichten, damit Seine Geweihten in Frieden leben können." König Kamsa war bestürzt, doch er wagte nicht, die Schwangere anzufassen. Hasserfüllt und von Unruhe gejagt, wartete er die Zeit ab, da sie ihren achten Sohn gebären sollte. Er war fest entschlossen, das Neugeborene zu töten, das seine Herrschaft und sein Leben bedrohte. So wie die Bhaktas, die Gottgeweihten, stets in tiefer Liebe über Gott nachdenken, so sann Kamsa unausgesetzt voll Hass über Ihn. Ob er nun sass, lag, stand, ass oder herumging, immer dachte er an Gott, an Bhagavan. Und er sah, dass die ganzeWelt von Ihm erfüllt war.
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Dann kam der Tag an dem Bhagavan, der Höchste Herr, beschlossen hatte, im Erdenlande zu erscheinen. Um Mitternacht, in der tiefsten Finsternis, da offenbarte Sich der lebendige Gott, so wie der Mond, der am östlichen Horizont aufgeht. Der Körper des Neugeborenen erstrahlte in der dunkelblau leuchtenden Farbe der frischen Gewitterwolken in der Regenzeit. Das überaus wundersame Kind hatte vier Arme, in deren Händen es eine Muschel, eine Lotusblüte, das Zepter der Weltherrschaft und das Feuerrad hielt. Es war in ein goldglänzendes Gewand gehüllt und trug das Srivatsa-Zeichen auf Seiner Brust sowie die Perlenkette mit dem Kausthuba-Juwel um den Hals. Es hatte volles Haar und trug einen goldenen Helm mit dem Vaidurya-Stein. Auch war Es mit kostbarem Schmuck geschmückt. Voll unfassbarer Freude badete der Vater das Kind im Strom seiner Freudentränen. Furchtlos betete er:
"O Du Höchster Schöpfer! Um die Welt zu schützen und zu segnen, steigst Du herab. Du, der Du unbegrenzt von Raum und Zeit bist, kommst als Avatara in mein Haus. Du, mein einziger Herr und Gott, bitte lass mich Dein Diener sein!"
Auch die junge Mutter war von Staunen überwältigt, auch sie pries Ihn als ihren Herrn und als Schöpfer aller Welten, doch zugleich war ihr Herz von sorgender Mutterliebe erfüllt. So flehte sie zu Krishna, Er möge Sich nicht in Seiner majestätischen Gottesgestalt offenbaren, damit nicht Kamsa, der Schreckliche, Ihn sogleich erkenne und ermorde.Gehorsam erfüllte Krishna die Bitte Seiner Mutter und erschien nun als ein gewöhnliches Menschenkind.
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Der Vater nahm das Kind auf die Arme und wie durch ein Wunder fielen die eisernen Ketten, die Vasudevas Fussgelenke fesselten, von ihm ab. Die schwere Türe des Gefängnisses öffnete sich von alleine und die Wächter vor den Toren waren in tiefen Schlaf gefallen. Durch den nächtlichen, stürmischen Regen trug der Vater seinen Sohn zum Ufer des Flusses Yamuna hin. Es wird erzählt, dass ein Löwe den Vater und das Kind begleitete und die tausendköpfige Schlange Ananta Shesha den kleinen Krishna wie ein Schirm vor dem Regen beschützte. Die rauschenden Wellen der Yamuna teilten sich vor Krishna und trockenen Fusses überquerte Vasudeva das Flussbett. Er gelangte ungefährdet zum anderen Ufer und betrat Vraja, das Land der göttlichen Lieblichkeit .
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Das Reich der Kuhhirten lag in tiefem Schlaf. Auch Nanda Maharaja und seine Frau Yashoda schliefen. Eben hatte die junge Frau einer Tochter das Leben geschenkt. Doch in traumschwerer Müdigkeit war sie nicht imstande gewesen zu erkennen, ob das Neugeborene ein Knabe oder ein Mädchen sei. Sanft legte Vasudeva das Krishnakind an die Brust der schlafenden Yashoda, nahm das neugeborene Mädchen auf seine Arme und ging den langen Weg zurück quer durch den Fluss Yamuna bis zu den Toren des Kerkers.
Krishna und Yogamaya, das war der Name des Mädchens, waren immer schon enge Vertraute gewesen. Sie hatten sich schon lange vor ihrem Erscheinen überlegt, wie sie den Plan, ihre Plätze zu tauschen, ausführen könnten. Und so geschah das nun Folgende ganz nach ihrem Willen. Kaum war Vasudeva mit dem Mädchen wieder im Kerker angelangt, schlossen sich die Türen und die Ketten legten sich wieder um seine Fussgelenke. Nun begann das Neugeborene zu schreien. Die Wächter schreckten aus dem Schlaf und auch König Kamsa fuhr in seinen Gemächern aus seinem Bette auf. Er schrie : "Nun ist der grausame Tod meines Lebens geboren worden !" Von Hass und Furcht erfüllt stürmte er in den unterirdischen Kerker des Palastes hinab. Trotz des herzbewegenden Flehens seiner Schwester Devaki, die ihn bat, das kleine Mädchen zu verschonen, packte er es bei den Füssen und schleuderte es mit dem Kopf voran an die Felswand des Kerkers. Das Baby entschlüpfte jedoch seinen Händen und schwebte in der Luft. In Wirklichkeit war das Kind Gottes Maya. Sie trug schöne Kleider, Blumengirlanden, leuchtende Juwelen und Schmuckstücke. In ihren acht Händen hielt sie einen Bogen, einen Speer, Pfeile, eine Glocke, eine Muschel, ein Feuerrad, eine Keule und einen Schild. Sie rief von oben Kamsa zu : "Du Narr, du glaubst den Höchsten Herrn greifen und vernichten zu können? Ich bin Gottes Maya, von Ihm gesandt, um dich zu täuschen. Krishna ist in Sicherheit ! Weh dir, König Kamsa, du wirst deinem Verderben nicht entgehen . Sei nicht so grausam zu deiner Schwester!" Darauf verschwand sie.
Kamsa bekam jetzt noch mehr Angst. Er sagte zu Vasudeva und Devaki : " Ich habe wie ein Dämon gehandelt, indem ich eure sechs neugeborenen Kinder tötete. Entschuldigt bitte mein fürchterliches Verhalten." Danach befreite er sie persönlich aus dem Gefängnis und liess sie gehen. Am nächsten Tag änderte er jedoch schon wieder seine Meinung. Kamsa, der grösste Schurke und Halunke, befahl seinen dämonischen Freunden, alle möglichen heiligen Personen zu stören und alle Kinder, die während der letzten zehn Tage geboren worden waren, zu töten.
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